Knärzje im flip.-Nachhaltigkeits-Check

Knärzje im flip.-Nachhaltigkeits-Check

Das Medienhaus flip. – eines der wohl bekanntesten Investigativjournalismus-Teams der DACH-Region im Kampf gegen Greenwashing von Unternehmen – hat bei uns hinter die Fassade geschaut und Knärzje's Nachhaltigkeitsbestrebungen auf Herz und Nieren geprüft. 

„Das Bier gegen Brotverschwendung – Ein großer Teil unserer Backwaren landet auf dem Müll. Knärzje will das ändern und braut aus altem Brot ein Bier, das man sogar im Bordbistro der Bahn trinken konnte. Eine Erfolgsgeschichte?" leitet der Artikel die Ergebnisse der mehrwöchigen Recherche ein. Uns sind Transparenz, Offenheit und Kommunikation hohe Werte, weshalb ich hiermit gerne ein ein paar Punkte aus dem Artikel explizit ansprechen will. 

Zuerst einmal freut es mich, dass wir mittlerweile doch schon hier und da eine gewisse Bekanntheit erlangt zu haben scheinen, dass Journalist:innen wie jene von flip auf uns aufmerksam werden und über uns berichten. Wir reihen uns damit ein in eine illustre Runde neben Unternehmen wie Nespresso, dm, Lidl, Adidas und sogar die UN. Ihnen allen gemein? Sie haben sich nachhaltiger gegeben und kommuniziert als sie tatsächlich waren. Was kam nun bei uns raus?

Spoiler, und da spreche ich nun v.a. für mich, Dan (Gründer): Ich bin zufrieden mit dem Artikel und der Recherche, denn es zeigt, dass wir halten, was wir versprechen. Deshalb ist dies hier auch keine Stellungnahme im Sinne einer Klarstellung oder gar Verteidigung, sondern vielmehr einfach mehr Informationen und Gedanken von uns für euch.

Doch der Reihe nach...

Wird dadurch tatsächlich Brot „gerettet"?

Nachdem erstmal über unsere Gründung, Beweggründe und die allgemeine Story hinter unserem Startup gesprochen wurde, ginge es an unser zentrales Versprechen: Brotrettung.

„Fast jedes 5. Brot in Deutschland wird verschwendet – jede unserer Flaschen rettet eine Scheibe davon!”, heißt es auf der Website von Knärzje ziemlich eingängig. Doch stimmt das auch?“

 

Das meiste Brot wird in privaten Haushalten weggeschmissen. An dieses Brot kommt man allerdings nur schwer ran. Also setzt Knärzje dort an, wo laut der WWF-Studie mit 36 Prozent am zweitmeisten Brot übrig bleibt, bei den Bäckereien. Konkret: Bei der Frankfurter Bäckerei BioKaiser. Es ist aber nicht so, dass dieses Brot ansonsten weggeschmissen würde. Daraus macht Anthes im Gespräch auch gar kein Geheimnis. Alles, was nicht mehr verkäuflich sei und nicht von den Tafeln genommen werde, die das Brot an Bedürftige verteilen, lande ansonsten beim Schäfer und damit in der Tierfütterung. Knärzje aber würde das Brot höherwertig verwerten, da man es zurück in die menschliche Nahrungskette bringe. 

 

Das kann man tatsächlich so sehen. In der WWF-Studie wird die Wiederverwertung des Brots in anderen Rezepturen als ökologisch sinnvoll bezeichnet. „Aus Lebensmittelverschwendungssicht macht das Sinn”, sagt auch Marion Ott vom Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW. Allerdings entstünden durch Start-Ups, die alte Lebensmittel nutzen, grundsätzlich eine Konkurrenz für die Tafeln. Noch Essbares sollte besser an Bedürftige gehen. Das sieht man aber auch bei Knärzje so. Es gilt das Prinzip: Tafeln first.  

 

Der Ansatz macht also Sinn. Doch würde das Brot ansonsten “verschwendet”, wie der Werbeslogan von Knärzje suggeriert? Das klingt für die Verbraucher:innen so, als würde das Unternehmen das Brot vor der Mülltonne bewahren (und nicht vor der Verfütterung an Schafe). Hier könnte Knärzje klarer kommunizieren.

 Hierzu würde ich gerne Folgendes sagen: Ja, es stimmt, dass wir hier und da verkürzt von Brotrettung sprechen, welches ein vor-der-Tonne-Retten impliziert. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen haben wir bereits in der Vergangenheit mit Bäckereien kooperiert, im Zuge welcher wir Brot tatsächlich vor der Tonne gerettet und in den Kreislauf zurückgeführt haben (bspw. unsere Kooperation mit Penny).

Zum anderen haben wir an diversen Stellen in Blog-Artikeln, Interviews und Social-Media-Kommunikation auf die Zero-Waste-Pyramide hingewiesen, welche die Maßnahmen des Umgangs mit Lebensmittelüberschüssen nach ihrem Impact in eine Hierarchie bringt. Es sollte immer versucht werden, dass überschüssige, aber noch genießbare Lebensmittel irgendwie den Menschen zugute kommen. Wir verfolgen mit unserem Ansatz eine Form der Weiterverarbeitung, und retten damit effektiv Brot vor der Verschwendung.

Und wie ist die Umweltbilanz von Knärzje?

Natürlich stellt sich in der Folge die Frage, ob das Brotretten überhaupt ökologisch sinnvoll ist? Denn auch wenn wir mit unserem Bier nicht nur Lebensmittelverschwendung direkt verhindern, sondern auch indirekt Menschen für das Thema sensibilisieren wollen, sollten all unsere Maßnahmen unter dem Strich doch ein Benefit für die Umwelt sein.

Das Thünen-Institut, ein Forschungsinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, hat sich Knärzje im Rahmen eines Dialogforums zum Thema Lebensmittelverarbeitung angeschaut. „Brotreste können sehr gut veredelt und dem menschlichen Verzehr wieder zugeführt werden”, heißt es in der Studie. Positiv seien auch die verringerten Umweltauswirkungen, da zum Beispiel weniger Malz produziert werden müsse. Auch eine CO2-Analyse der Londoner Researcher von CarbonTag im Auftrag von Knärzje kommt zu einem positiven Ergebnis. Im Vergleich zu einem Bier, bei dem nicht auf Nachhaltigkeit geachtet werde, seien die Emissionen von Knärzje um mehr als 40 Prozent geringer. 

 Hier können wir ganz eindeutig sagen: Ja, unser Bier hat einen Umweltvorteil, denn wir sparen jede Menge Ressourcen. Nicht nur das Thünen-Institut, auch CarbonTag sowie Eaternity haben hier externe Analysen durchgeführt und unsere positive Umweltbilanz hervorgehoben.

Dort, wo man Dinge nicht direkt vermeiden könne, kompensiere man, heißt es auf der Website von Knärzje, „weshalb unser Bier auch klimaneutral produziert ist”. Dieser Begriff ist derzeit sehr umstritten, die Deutsche Umwelthilfe etwa verklagt reihenweise Firmen, die mit dem Begriff werben, vor allem dann, wenn sie nicht sehr transparent erklären, was damit gemeint ist und wie genau kompensiert wird. 

 

Dieser Debatte scheint sich auch Knärzje bewusst zu sein. „Darf mensch das heute überhaupt noch sagen?” heißt es auf der Website. Der Link darunter führt dann auf ein Video von der Verleihung des “Most Sustainable German Brand Award”. Über den Kompensations-Ansatz von Knärzje erfährt man in dem Video nichts.

Auf Nachfrage schickt Anthes einen Link zum Klimaneutralitäts-Versprechen der Vulkan-Brauerei. Da das Bier dort “gesourced und gebraut” werde, “laufen wir hier auch drunter”. Die Brauerei gibt an, aktuell den Bau geothermischer Brunnen in El Salvador zu fördern. Man findet auch ein Zertifikat, das der Brauerei bescheinigt, auf diese Weise seit 2022 insgesamt 2800 Tonnen CO2-Äquivalente ausgeglichen zu haben. Eine eigene Rechnung zum Bier von Knärzje findet man aber nicht.

Ganz klar: Unser Bier ist natürlich noch nicht perfekt. Doch Nachhaltigkeit ist für uns ein Prozess und kein Endzustand. Und natürlich können wir in unseren Prozessen entlang der Wertschöpfungskette von der Bäckerei über die Brauerei bis hin zum Verkauf noch besser, ja nachhaltiger werden. Wir versuchen bei allem, was wir unternehmen, direkt so nachhaltig wie möglich zu sein. Manchmal klappt das, andere Male nicht direkt; und dann versuchen wir immerhin noch über eine CO2-Kompensation unseren Fußabdruck bzw. negative Auswirkungen auf die Umwelt so gering wie möglich zu halten.

Es stimmt, dass wir hier zeitweise versäumt hatten, im Zuge der Umstellung unserer Webseite & des Online-Shops einen Verlinkung zu dem speziellen Kompensations-Projekt (über unsere Partnerbrauerei Vulkan) zu setzen. Das heißt zwar nicht, dass wir untätig waren in Sachen Umweltschutz, doch wir waren nicht bis zum Schluss aufmerksam – unser Fehler! Dies ist jedoch erst im Zuge der Recherchen von flip aufgefallen und wurde dann umgehend behoben.

Die Sache mit dem „klimaneutral“

Eine mir wichtige Sache wird an dieser Stelle im Artikel auch noch thematisiert, nämlich unsere Werbung bzw. Kommunikation mit „klimaneutral":

Fairerweise muss man aber auch sagen, dass Knärzje auf seinen Flaschen nicht mehr mit dem Klimaneutral-Versprechen wirbt. Die "aggressive Werbung” damit habe er nicht mehr gefühlt, so Anthes. Auf der Website aber könne man das noch spielen, da sei genügend Platz. Dass es dort dann aber auch nicht wirklich erläutert wird, habe schlicht damit zu tun, dass er einfach nicht dazu gekommen sei. Derzeit gehe es darum, Knärzjes Überleben zu sichern, da seien “die Prios” leider andere.

Wir haben uns hier im Laufe des letzten Jahres 2023 (auch nach Rücksprache mit der uns beratenden Design-Agentur echd) dazu entschlossen, die Bezeichnung „klimaneutral“ von unseren Flaschen bzw. Etiketten zu nehmen. Die Beweggründe dafür kennt flip auch: Es ist einfach kein (verkaufsförderndes) Alleinstellungsmerkmal mehr, da wir in Zeiten leben (bald hoffentlich lebten), in denen selbst Mineralölprodukte, Kurzstreckenflüge oder Plastikverpackungen als klimaneutral beworben werden dürfen (durften), weil sie ihre wenig nachhaltigen Geschäftspraktiken irgendwo am anderen Ende der Welt in Form eines modernen Ablasshandels grün anmalen können. Die EU ist hier dran und wird es künftig Unternehmen verbieten derart zu kommunizieren, wenn sie nicht glaubwürdig darlegen können, dass ihre Produkte & Dienstleistungen tatsächlich umweltschützende Eigenschaften haben.

Bis dahin fokussieren wir uns lieber auf andere hervorzuhebende Eigenschaften unseres Bieres, weshalb hier seit kurzem „naturbelassen“ anstelle von „klimaneutral“ auf unseren Etiketten steht. Das sind zwar natürlich komplett unterschiedliche Paar Schuhe, aber wir können etwas Grundessenzielles & -funktionales unseres Bieres adressieren: Nämlich, dass es aufgrund seiner Herstellungsweise (und Unfiltriertheit) einfach ein echt leckeres Bier ist. 

Für die Zukunft?!

Der Artikel endet mit folgendem Absatz:

Anthes spricht offen darüber, dass die Lage für Knärzje derzeit schwierig sei. Das hat aus seiner Sicht auch mit den Prioritäten der Verbraucher:innen zu tun. „Wir fragen selbstverständlich bei der Milch, bei den Eiern und inzwischen auch bei der Schokolade nach Bio – aber nicht beim Bier.” Für große Unternehmen wie Kaufland oder die Deutsche Bahn war Knärzje eine gute Story. Wird das Bier von den Kund:innen aber nicht wie gewünscht gekauft, ist sie auch schnell wieder vorbei.

Und ich will hier gar nichts beschönigen, denn es ist einfach so: Nachhaltigkeit mag zwar in den Köpfen der Menschen weiterhin ein großes Thema sein, doch im Handeln äußert sich dies zu oft leider nicht wirklich – sei es bei den Unternehmen, die eine Kampagne nach der anderen schalten und sich hier grüner anmalen als sie tatsächlich sind, oder aber bei den Endkonsument:innen, die aufgrund unterschiedlicher Faktoren den Einkaufswagen dann doch anders bestücken, als sie es vielleicht gerne würden (das Besprechen dieser Bewusstseins-Verhaltens-Lücke ist etwas für ein anderes Mal!)  

Mir war es wichtig, hier nochmal explizit o.s. Punkte anzusprechen und durch weiterführende Informationen etwas klarer zu stellen. Unter dem Strich bleibt für mich Folgendes stehen: Wir sind was unser Handeln und Kommunizieren in Sachen Nachhaltigkeit anbelangt auf einem guten Weg, doch natürlich ist auch hier noch Luft nach oben. Leider machen es die aktuelle wirtschaftliche Lage sowie Marktsituation einem Startup mit begrenzten finanziellen Mitteln hier extrem schwer, in allen Bereichen Frontrunner zu sein und Prozesse as sustainably as possible zu gestalten. Der Grund: Es kostet einfach mehr Geld und die Kund:innen sind in der Masse (noch) nicht bereit (oder in der Lage), das zu zahlen. 

Doch wir geben nicht auf und geben weiterhin unser Bestes, auf dass wir auch noch in Zukunft ganz oft sagen können: Anstoßen, um Großes anzustoßen.

Danke für euren fortwährenden Support!

Dan

 

PS: Den ganzen flip-Artikel findet Ihr hier.